Tiroler Energie Quellen
Die Wasserkraft ist eine tragende Säule für den erneuerbaren Tiroler Strommix. Dazu gehören aber nicht nur Großprojekte, sondern auch zahlreiche kleinere Wasserkraftwerke, verteilt im ganzen Bundesland. Deren Beitrag zur Energiegewinnung sowie den vielfältigen Nutzen für die Gemeinden und deren Bürger*innen selbst sehen wir uns in dieser Geschichte genauer an.
Für ein energieautonomes Tirol ist die Wasserkraft ein im wahrsten Sinne des Wortes elementarer Bestandteil bei der Energiegewinnung der Zukunft. In Kombination mit weiteren erneuerbaren Energien ist ein fossilfreier Strommix möglich und das in gar nicht allzu ferner Zukunft. Doch wer jetzt ausschließlich an Großprojekte denkt, liegt falsch. Gerade in Tirol können durch oft günstige Hanglagen und hohen Leitungsdruck zahlreiche kleinere Wasserkraftwerke für einen konstanten Beitrag zur Energiegewinnung sorgen. Das ist nicht nur für ganz Tirol wichtig, sondern auch für die jeweiligen Gemeinden, die diese Anlagen meist umsetzen. Sie sorgen dafür, dass der Strom, den die Gemeindebürger*innen verbrauchen, durch das entsprechende Kraftwerk zum Teil oder gänzlich gedeckt wird.
Konstant, schadstofffrei und lokal
Dabei sind ebendiese Wasserkraftwerke gerade in kleineren Gemeinden auch wertvolle neue Einnahmequellen, um wichtige soziale und infrastrukturelle Vorhaben umsetzen zu können, wie etwa der Bau neuer Schulen, Kindergärten, Pflegeeinrichtungen, Feuerwehrwachen, der Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität und vieles mehr. Gemeindebewohner*innen profitieren potenziell also doppelt und dreifach von lokal produziertem Strom. Doch dazu später mehr.
Um die Lage besser zu verstehen, haben wir uns in drei e5-Gemeinden verhältnismäßig neue Wasserkraftwerke angesehen und mit den Bürgermeistern über den Nutzen für ihren Wohn- und Lebensort geredet. Eines vorweg: Alle sind sichtlich stolz auf ihr Wasserkraftwerk und den selbst produzierten Strom. Und das, obwohl so ein Projekt in dieser Größenordnung meist gar nicht von derselben Person initiiert wird. Schließlich ist die über Jahre hinweg laufende Bewilligungs- und Planungsphase oft schon ein Hindernis für viele Gemeinden. Vielmehr macht es die drei stolz, da der Zuspruch der Gemeindebürger*innen bis auf wenige Ausnahmen durchwegs positiv ist. Ein weiterer positiver Nebeneffekt sind die durch den Strom zusätzlichen Einnahmen, die viele sozial- und gesellschaftlich relevante Investitionen ermöglichen.
Das kleinste der drei Kraftwerke steht in Sistrans, unweit von Innsbruck. Als sogenanntes Quellwasserkraftwerk wurde eine bestehende Quelle genutzt und adaptiert, um Strom zu erzeugen. Der Eingriff in die Natur ist dadurch minimal, da meist bestehende Infrastruktur umfunktioniert wird. Das Wasser, das für die Energiegewinnung genutzt wird, kommt später als Trinkwasser in die Leitungen der Sistranser*innen und wird somit nun doppelt genutzt. Strom wird hier für ca. 30 Haushalte produziert und gänzlich in das öffentliche Netz eingespeist.
Bürgermeister Johannes Piegger sieht die Gemeinden auch in der Verantwortung, einen Beitrag für TIROL 2050 energieautonom zu leisten:
„Wir leisten vielleicht nur einen kleinen Beitrag mit einer 30 kW-Anlage, aber wir kommen unserer Verantwortung nach, für unsere Bürger*innen sauberen Strom zu produzieren.“
Ähnlich die Geschichte in Nassereith. Vor kurzem wurde das Wasserkraftwerk „Wendelinstollen“ in Betrieb genommen. Hier wurde ein alter Bergwerksstollen genutzt, umgenutzt, um eine Steigleitung zu verlegen und tief in den Berg zu kommen. Letztendlich wird auch dort Quellwasser genutzt um später eine Turbine anzutreiben und sauberen Strom für ca. 170 Haushalte zu produzieren.
Laut Bürgermeister Herbert Kröll gibt es einen großen Vorteil bei dieser Anlage: „Das Wasser muss kaum gefiltert oder für die Energiegewinnung vorbereitet werden und es beeinflusst auch keine natürlichen Bachläufe oder deren tierische Bewohner*innen“, ist ihm wichtig zu betonen.
„Das Wasser muss kaum gefiltert oder für die Energiegewinnung vorbereitet werden und es beeinflusst auch keine natürlichen Bachläufe oder deren tierische Bewohner*innen“, ist ihm wichtig zu betonen.
Das größte der drei Kraftwerke, die wir unter die Lupe genommen haben, befindet sich im Osttiroler Ort Innervillgraten. Als Trinkwasserkraftwerk macht auch dieses etwas Bestehendes den Trinkwasserhochbehälter zunutze und produziert Strom für rund 2.000 Haushalte. Mit einem zusätzlichen Potenzial für weitere Ausbaustufen weiter unten im Tal. Andreas Schett, Bürgermeister der Gemeinde Innervillgraten, erzählt im Gespräch, das dem Kraftwerksbau ein Beteiligungsprozess der Bürger*innen vorausging. „Wir haben die Gemeindebürger*innen eingeladen mitzuwirken und wollten so vorab ein Stimmungsbild einholen, ob ein Kraftwerk in dieser Dimension für die Gemeinde geeignet ist“, erklärt er. Die Resonanz war durchwegs positiv. Eben auch, weil viele verstanden haben, dass sich der Eingriff in Grenzen hält und die dadurch möglich gemachten Investitionen in Gemeinde-Projekte durchaus relevant sind.
„Wir haben die Gemeindebürger*innen eingeladen mitzuwirken und wollten so vorab ein Stimmungsbild einholen, ob ein Kraftwerk in dieser Dimension für die Gemeinde geeignet ist“, erklärt er.
Durch Erneuerbare Energiegemeinschaften (EEG) ist das Potenzial, den produzierten Strom in der Gemeinde zu halten, um ein Vielfaches gestiegen, ja zum Teil erst ermöglicht. Ob und wie sinnvoll es tatsächlich ist, auf die lokale Verwertung für Gemeinden zu setzen, das wird sich mit der Zeit zeigen und hängt stark von den unterschiedlichen Gegebenheiten in den Gemeinden ab. Die Anzeichen stehen auf eine Hybrid-Variante, bei der eine Gemeinde nach wie vor von guten Einspeisetarifen profitiert und gleichzeitig ihren BewohnerInnen günstige, lokal produzierte Energie bereitstellen kann. So geschehen in Trins, wo TIWAG, Gemeinde und Raiffeisen gemeinsam eine EEG gegründet und damit den Grundstein für eine wirklich lokale Energieversorgung anhand von Wasser- und Sonnenstrom gelegt haben.
Und wie geht es weiter?
Die Energieagentur Tirol erörtert die Potenziale für Wasserkraft in Tirol. Dabei steht sie Gemeinden beratend zur Seite bei der Erstanalyse. Für potenzielle Trinkwasserkraftwerke, also jene, die vorhandenen Hochbehälter und Steigleitungen nutzen, wurden seit Mitte 2021 bereits von 67 Gemeinden Beratungen in Anspruch genommen. Zu den rund 90 bestehenden Trinkwasserkraftwerken wurden in kürzester Zeit neue Potenziale von bis zu 2,3 Millionen kWh erkannt, was dem Strombedarf von rund 650 Haushalten entspricht. Viel Potenzial für die Energiewende und ein weiterer Schritt für TIROL 2050 energieautonom.
Nicht alles, was den Bach runtergeht, ist also schlecht. In diesem Fall ist es vielmehr die Quelle neuer Energie.