Daniel Fuhrhop: Egal welches Haus: Bauen schadet der Umwelt, weil es einmalig viel Energie erfordert, was auch ein niedriger Energiebedarf im Betrieb nicht zurückholen kann – das gilt für alle Arten von Neubauten. Altbauten, auch alte Einfamilienhäuser, hingegen bieten Chancen zur Weiterentwicklung, indem sie zu Zwei- und Dreifamilienhäusern werden. Das macht den Neubau überflüssig.
Christian Höller: In Tirol ist in etwa ein Fünftel des gewidmeten Baulandes nicht bebaut. Die Raumordnungskonzepte des Landes zielen darauf ab, diese Bestände zugänglich zu machen. Gemeinden sind angehalten, bestehendes Bauland platz- und kostensparend zu nutzen und nachzuverdichten, vor allem in Orts- und Stadtkernen, um der Zersiedelung entgegenzuwirken und beträchtliche Erschließungskosten einzusparen. Der Druck sollte hier von den BürgerInnen, GemeinderätInnen und dem/der BürgermeisterIn selbst kommen im Sinne der Wirtschaftlichkeit und vor allem einer nachhaltigen und qualitativen Ortsentwicklung.
Andreas Lotz: Können diese Flächen nicht mobilisiert werden, steigt natürlich der Druck neues Bauland für Wohnzwecke zu widmen. Hierbei zeigen sich große regionale Unterschiede. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung, ist der Druck in der Inntalfurche größer als z.B. in Osttirol. Allgemein betrachtet muss die demografische Entwicklung noch viel mehr in der Raumplanung berücksichtigt werden, vor allem auch was die Überalterung der Bevölkerung betrifft. Es braucht Raum- und Baustrukturen, die für die nächste Generation nachhaltig sind.
Daniel Fuhrhop ist Buchautor und Bauverbot-Blogger. Er will mit seinen Texten zeigen, wie schädlich das Bauen ist und wie gut wir ohne auskommen könnten, indem wir Leerstand beseitigen, Fläche effizient nutzen und uns darauf besinnen, was wir schon haben – unsere Häuser und Städte.
Andreas Lotz: Ein Beispiel: Es gibt in anderen Bundesländern Klima- und Infrastrukturkostenrechner, wo man seinen Wunschbauplatz eingegeben kann. Für diesen Standort werden dann die Mobilitätskosten berechnet. Dadurch wird sehr gut aufgezeigt, dass Gebäude in gut erschlossenen, bestehenden Siedlungsgebieten mit kurzen Wegen große Vorteile haben.
Christian Höller: Das stimmt. Die Kostenwahrheit bei der Erschließung ist nicht ausreichend gegeben und fällt sehr zugunsten der Verursacher aus. Der Anreiz bestehende Wohngebäude zu nutzen sollte aber nicht nur ein finanzieller sein. Die Nachnutzung bzw. Nachverdichtung bietet Chancen, Dörfer zu beleben und ihnen verstärkt einen jungen Geist einzuhauchen. PlanerInnen und Gemeinden sind gefordert das nötige Bewusstsein zu schaffen und das eingesetzte Umdenken zu fördern, Best Practice Beispiele zu kommunizieren und Initiativen anzuregen und zu unterstützen.
Daniel Fuhrhop: Eine Möglichkeit diese Verjüngung zu begünstigen ist das Modell „Jung kauft Alt“. Bislang geben viele Gemeinden Geld für neue Baugebiete aus, für Planung und Erschließung, neue Straßen, Leitungen und später Busse. Stattdessen kann man dieses Geld jungen Leuten zahlen, die in alte Häuser einziehen.
Christian Höller ist Architekt in Innsbruck und Vorsitzender der Sektion Architekten der Kammer für ZiviltechnikerInnen Tirol und Vorarlberg.
Andreas Lotz: Das ist ein schwieriges Thema, da es sehr emotional behaftet ist und für viele Bewohner dieser Gebäude der Verbleib im Alter, in der liebgewonnen Umgebung, ein großes Bedürfnis ist. Für einen derartigen Tausch braucht es daher hochwertige Angebote.
Daniel Fuhrhop: Weil die meisten Menschen gern in ihrem Ortsteil bleiben, sollte man Nachbarn zusammenbringen, die in zu groß gewordenen Häusern wohnen. Eines der Häuser baut man so um, dass darin altersgerecht mehrere Personen wohnen können, und das bezahlt man durch den Verkauf der alten Häuser.
Christian Höller: Trotz der Emotionalität sind zunehmend Menschen im Alter sehr offen für qualitätsvolle Alternativen, die ihrer Lebenssituation besser gerecht werden als ein pflegeintensives, zu groß gewordenes Haus im Grünen. Altersgerechte Wohnungen, ein daran geknüpftes Angebot zur Versorgung, sowie Modelle vom selbstbestimmten Leben in Gemeinschaften werden als attraktiver Weg gesehen, drohender Vereinsamung und Überforderung zu entgehen. Die Gemeinde sollte hier, unterstützt durch Beiräte, RaumplanerInnen und Architekturschaffenden eine aktivere Rolle im Dialog mit den BürgerInnen und der Umsetzung übernehmen.
Daniel Fuhrhop: In einigen Häusern kann man Einliegerwohnungen abtrennen und vermieten. Andere ältere Bewohner freuen sich über junge Untermieter nach dem Modell „Wohnen für Hilfe“. Und wieder andere würden umziehen und dadurch den Weg zum Umbau freimachen.
Christian Höller: Neben der Möglichkeit der Umnutzung bietet es sich je nach Situation an, Gebäude zu adaptieren oder zu erweitern und dadurch zusätzliche Wohneinheiten zu generieren, die der geänderten Demographie kleinerer Haushaltsgrößen entspricht. Oft ist dabei der Erhalt des Bestandes wirtschaftlicher als ein Abbruch samt Neubau.
Andreas Lotz: In den dynamischen Regionen regelt vieles auch der Immobilienmarkt, da diese Strukturen für den einzelnen kaum mehr leistbar sind.
Andreas Lotz ist Raumplaner in Innsbruck und Vorsitzender der Bundesfachgruppe Raumplanung, Landschaftsplanung und Geographie der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen.
Andreas Lotz: Wenn wir nachverdichten, muss eigentlich sichergestellt werden, dass Wohnformen mit hoher Dichte und geschlossener Bauweise ausreichend individuell nutzbare, der Wohnung zugeordnete, Freiflächen aufweisen. Da gibt es leider noch viel zu wenig gute Beispiele. Wir brauchen daher mehr Modelle, die die Qualität des Einfamilienhauses in den verdichteten Wohnbau transferieren. Als Alptraum stellen sich für mich Bauformen dar, die ausschließlich nach den Abstandsvorschriften der Bauordnung in ein Grundstück hineingezwängt werden.
Christian Höller: In Städten kann Nachverdichtung grundsätzlich gut umgesetzt werden. In ländlichen Gebieten ist große Sorgfalt geboten, um Chancen zu erkennen und zu nutzen, funktionierende Dorf- und Gemeinschaftsstrukturen zu ermöglichen. Die Bürgermeister haben größte Verantwortung für Entscheidungen, die sich noch Generationen später auswirken. Der Einbezug von ExpertInnen – Beiräten, ArchitektInnen und PlanerInnen sollte ein unumgängliches Instrument sein, um im Dialog mit Gemeinden Konzepte zu erarbeiten, die korrektiv eingreifen und vorausschauend einen qualitätsvollen, würdigen Lebensraum ermöglichen.
Andreas Lotz: Diese sind absolut notwendig, leider gibt es noch zu wenige. Gleichzeitig sollte man aber auch aufhören, sei es in den Medien oder auch bei Architekturpreisen, Projekte hervorzuheben, die zwar als Einzelobjekt betrachtet lobenswerte Architekturbeispiele sind, aber auf der grünen Wiese errichtet wurden. Diese Beispiele sollten standardmäßig einem Raumplanungs- und Nachhaltigkeitscheck unterliegen.
Christian Höller: Sie helfen ein breites Verständnis zu schaffen. Sie vermitteln was gute Baukultur bedeutet und was sie vermag. Best Practice Beispiele zeigen auf, welche gesellschaftliche und nachhaltige Wertschöpfung der Gestaltung guter Lebensräumen innewohnt und die wesentlichen Rolle, die den PlanerInnen und ArchitektInnen dabei zukommt. Vor allem machen sie große Lust.
Daniel Fuhrhop bietet in seinem Buch „Verbietet das Bauen! Eine Streitschrift“ eine Fülle von Ideen an, um alte Substanzen zu erhalten – zum Gewinn von Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft.